Blogging on Heavens Door 39-42

Schreib-Workshop Wortschöpfung(en). The Golem Lives On

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• Notizen zum Workshop von Lesebürgerin Elisabeth Klempnauer aus Havixbeck

• E-Mail-Interviews mit Nicole Drude aus Hamburg und Vicky Ntzoufa aus Athen

• 4 Sprachschöpfungen: Mein Golem...“

• Einige Links zur Vertiefung für die, die es interessiert

Um es gleich vorweg zu nehmen. Dieser ganztägige Online-Workshop via ZOOM war ein Erlebnis, das ich auf keinen Fall missen möchte. Warum ich erst im letzten Moment hineingesprungen war, hatte mit den vermeintlichen Hürden zu tun: ein ganzer Tag online! Und Schreiben im Kontext des Center for Literature, da konnte ich sicher nicht mithalten, usw. Andererseits hatte es sich für mich gerade in diesem Kontext schon oft gelohnt, dass ich einfach gesprungen war. Die Lesung von Barbara Köhler hatte ich bereits ein knappe Woche vorher mehrmals gehört. Sprachschöpfung, das war ein Thema für mich!

Die Verbindung zu den biblischen Texten war mir bisher weniger vertraut. Was aber nun hatte die Lesung von Barbara Köhler mit dem Golem zu tun? Golem, das war für mich ein Riese, ein Monster. Dunkel hatte ich auch die Monsterfigürchen aus dem Kinderzimmer unseres Sohnes im Hinterkopf...
Ich sollte nicht die einzige sein, die nicht viel Vorwissen mitbrachte.

Ich fand mich also am 18. Juni 2020 im virtuellen Raum, zusammen mit 16 weiteren Teilnehmer*innen aus Innsbruck, Bielefeld, Berlin-Moabit, Hamburg, Göteborg, Bochum, Münster, Nürnberg, Edinburgh, Heidelberg, Athen, Köln, Gießen, Dortmund ein. Zusätzlich zu Namen und Motivation wurden wir eingeladen, uns mit dem, was wir im Zimmer, um uns herum oder draußen vor dem Fenster sahen, vorzustellen. Das war so easy und spannend zugleich, dass es im nachfolgenden Kleingruppengespräch über unsere Vorstellungen von der Figur des Golem keine spürbaren Hürden mehr gab. Wir trugen die Bruchstücke unseres Wissens zusammen. Da war der Film von Paul Wegener, unterschiedliche Golem-Erzählungen. Mary Shelleys Frankenstein. Sprachschöpfung, gleichzeitig ein Golem, der selbst nicht sprechen kann. Ein Gefäß? Da wurden auch genannt: Die Brüder Grimm, Annette von Droste-Hülshoff, die Automatentheorie.

Viele lose Fäden, viele Fragen. Wir waren so richtig schön geprimt für das, was kommen sollte: Barbara Köhlers Lesung, Daniel Laufers Kurz-Film und sein äußerst kenntnisreicher Input zu den verschiedenen Golem-Erzählungen und Deutungsweisen. Ab und an griff Daniel dabei ins Regal hinter sich, um uns die alten Schriften zu zeigen. Ich notierte stenogrammartig ein paar Stichworte, die ich hier in aller Unvollständigkeit und möglicherweise auch Fehlerhaftigkeit zur Verfügung stelle, in der Hoffnung, dass sie neugierig machen und zum Selberforschen anregen:

Erstmals taucht das Wort Golem im Psalm 139, Vers 15 auf... Unterschiedliche Übersetzungen: Meine Masse, mein Knäuel, mein Werden, wie ich entstand, meine ungeformten Glieder, als ich ein Embryo war, Zellhaufen, ungeformter Keim, unfertige Teile, ungestaltetes Klümpchen... Im Babylonischen Talmud sei von Golem nicht die Rede. Das Buch bestünde größtenteils aus Tabellen, in denen Buchstaben Körperteilen zugeordnet sind... Im Mittelalter hieß es dann, man müsse eben dieses Buch benutzen, um einen Golem zu erschaffen, obwohl da nix drinsteht. Im 13. Jh. in Worms dann das Rezept: man müsse jungfräuliche Erde benutzen. Auch später taucht in allen Legenden auf, es müsse Erde, gar jungfräuliche Erde sein. Was wegfällt: dass der Schöpfer rein sein muss... Andere Geschichten, wie der Amoklauf des Golems, kommen erst später... Es sind durchwegs Männer, die diesen Schöpfungsprozess produzieren... Im 16. Jh. entstehen erste Rabbi-Löw-Legenden (Prag). Hier taucht der Golem aber nirgendwo auf... Im 18. Jahrhundert taucht dann irgendwo, irgendwann das Moment auf, dass der Schöpfer durch die Schöpfung verletzt worden ist. Dieses Amok-Motiv setzt sich dann fort... Im 19. Jh. taucht Golem-Geschichte bei den Brüdern Grimm auf. In der Romantik hat man viel zu dem Thema geschrieben... Auch Annette von Droste-Hülshoff: Die Golems; ..., ...., ...., .... 1915: der Golem-Bestseller von Gustav Meyrink, teilweise sehr antisemitisch, düster...; 1914: erster Golem-Film Paul Wegeners; Film verschollen. 1920: Paul Wegeners 3. Golem-Film... Der jüdische Hintergrund wird fortan so gut wie abgeschnitten. Die Figuren verselbständigen sich. Populäre Filme/Romane bedienen sich jüdischer Motive und deuten diese um..., eine Simpson-Folge zu Golem... In allen möglichen Varianten wird der Stoff kopiert... Gedicht von Paul Celan. Andere Golem-Gedichte...; 90er Jahre: Muskelmänner aus Lehm; Comicfiguren, Computerspiele...; Der erste Computer hieß Golem. Golem als Schutz, Diener, Monster? Golem als Zwischenstadium im Werden, der Prozess, der künstlerische Prozess?

Mit all diesen Aspekten waren wir nun gut angefüttert und freuten uns auf das Schreiben.

Max Czollek leitete uns an, einen eigenen Golem zu erschaffen und zwar aus Dingen in unseren Wohnungen: „In unseren Wohnungen gibt es Dinge, die man auf ungewohnte Weise zu einer Art Golem zusammenfügen könnte. Eine Topfpflanze als Kopf, Bücher als Körper usw.“ Max las uns als Anregung u.a. seine Variation auf das Zebra Florian vor. Das ging in etwa so: „Florian ist ein ... Barcode, ein Fingerabdruck, eine aufgedrehte Jalousie... Auf diese Weise (oder ganz anders!) sollten wir nun unseren eigenen Golem erschaffen: „Mein Golem ist..., macht..., mein Golem...“

Besonders schön war es, die Texte in Kleingruppen und im Plenum zu teilen und über die Vielfalt der Schöpfungen zu staunen (Texte von Julia, Nicole, Elisabeth und Vicky weiter unten)

In der Abschlussrunde wurden u.a. besonders herausgestellt: die Wertschätzung der angebotenen thematischen Fülle, die achtsame Moderation, die Barrierefreiheit dieser Gruppe, das gute Miteinander, der Wunsch, in Kontakt zu bleiben, der Wunsch nach mehr solcher Online-Schreibworkshops.

Mir persönlich, die ich nur 8 km von Burg Hülshoff entfernt wohne und das Glück habe, problemlos an vielen Veranstaltungen des Center for Literature (CfL) vor Ort teilnehmen zu können, wurde die internationale Dimension in der Arbeit des CfL noch viel stärker bewusst. Das diesjährige Droste-Festival, coronabedingt im Online-Modus, hat neue Türen geöffnet.

2 E-Mail-Interviews zum Workshop

Besonders freut es mich, dass Nicole und Vicky spontan bereit waren, mir ein paar Fragen in Resonanz zum Workshop per Email zu beantworten.

Hier meine Fragen:

  1. Von welchem Ort aus hast du an dem Workshop teilgenommen?
  2. Warum hast du dich für diesen Workshop angemeldet? Was war der zündende Funke?
  3. Wie hast du diesen Online-Workshop erlebt?
  4. Was hat dir besonders gefallen; hat dich eventuell sogar überrascht?
  5. Wovon hättest du dir mehr gewünscht?
  6. Gibt es etwas, das nachwirkt, dich vielleicht sogar noch eine Weile begleiten wird?
  7. Was möchtest du außerdem gerne sagen oder rückmelden?

Nicole antwortet am 25. Juni 2020:

Liebe Elisabeth,
Ich habe von Hamburg aus an diesem Workshop teilgenommen.
Ich fand das Thema sehr ausgefallen und doch in der Zeit liegend.
Mir war es wichtig, Kontakt aufzunehmen zu anderen Menschen, die schreiben.
Ich würde mir sehr wünschen, mich mit euch weiterhin auszutauschen.
Ich würde mir mehr Möglichkeit wünschen, in Break-Out Sessions zu gehen
und gemeinsam Texte zu teilen und sie zu diskutieren. Ich fand das bunte
Teilnehmer*innenfeld toll. Ich überlege in meiner bildenden Kunst an dem Thema
weiterzuarbeiten und habe auch spannende neue Einblicke in das Schaffen der Droste erhalten.
Ich hoffe, deine Fragen beantwortet zu haben und denke wir bleiben in Kontakt?
Herzliche Grüße
Nicole

Vicky Ntzoufa antwortet am 26. Juni 2020:

1. Von welchem Ort hast du an dem Workshop teilgenommen?
Ich wohne in Athen, in Griechenland.

2. Warum hast du dich für diesen Workshop angemeldet? Was war der zündende Funke?
Ich arbeite als Deutschlehrerin in Athen und parallel zu meiner Arbeit schreibe ich meine Dissertation im Fachbereich der Literatur und Philosophie und vor allem... liebe ich die Literatur. So interessiere ich mich immer für anregende Literaturseminare. Weit darüber hinaus beschäftige ich mich mit dem kreativen Schreiben. Ich schreibe literarische Texte (Gedichte, Prosa und Theaterstücke) auf Griechisch und neulich habe ich angefangen, auch auf Deutsch zu schreiben. Zumal Deutsch nicht meine Muttersprache ist, ist ein Schreibworkshop auf Deutsch für mich besonders hilfreich und interessant.

Der Workshop „Der Golems lives on“ hat mich aber umso mehr angespornt, denn ich habe die Thematik des Golems faszinierend gefunden. Vor allem die zahlreichen Deutungsmöglichkeiten und Inspirationsansporne, die davon entstehen oder entspringen können, haben mich angeregt. Die Legende von Golem ist mir gleich aufgefallen, vor allem wegen der schwerwiegenden Beziehung des jeweiligen Schöpfers mit seiner Kreatur, seinem Kunstwerk, die sie unter anderem thematisiert. Gleich ist mir die altgriechische Legende von Pygmalion, dem Bildhauer eingefallen, der sich in seine Statue verliebt hat, die dann mit Hilfe von Venus lebendig wurde. Das war mein erster Gedanke, die erste Assoziation, die ich gemacht habe, als ich den Titel des Workshops auf einer Internetseite gelesen habe. Solch ein interessantes und facettenreiches Thema könnte vielleicht als weitere Inspiration für meine literarischen Versuche dienen, habe ich gedacht. Sowohl das höchstinteressante informative Teil des Workshops, als auch die Möglichkeit etwas dann im Rahmen dieser Thematik zu schreiben haben mich weiter motiviert, mich anzumelden.

3. Wie hast du diesen Workshop erlebt?
Der Workshop war ein wirklich schönes, kreatives und inspirierendes Erlebnis für mich.

Mir hat besonders gut gefallen, dass die Teilnehmer*innen, die übrigens sehr nett waren, die Möglichkeit hatten, einander kennenzulernen und aktiv, unter der Leitung von Daniel Laufer und Max Czollek, an dem Workshop teilzunehmen. Es war besonders sinnvoll, dass wir über die Legende und die ganze Thematik des Golems in Kleingruppen diskutiert haben. Obwohl man also eventuell am Anfang dachte, dass man wenig über die Thematik des Golems wusste, allmählich wurde uns klar, dass durch die Diskussion und den Gedankenaustausch unser Vorwissen aktiviert und bereichert wurde.

Nach dem informativen Teil des Workshops, der aufschlussreich war, wurden wir gefragt, einen eigenen literarischen Text zu schreiben, in dem wir unseren eigenen Golem schaffen sollten. Nach der ganzen analytischen und ausführlichen Beschäftigung mit der Thematik von Golem war das die geeignete Endung so zu sagen, dass wir unseren eigenen Text, schaffen. Irgendwie konnten wir somit experimentieren. Eigentlich ist ein Gedicht oder eine Erzählung sowieso auch ein „Golem“, nämlich etwas, das man schafft und dann zur Verfügung des jeweiligen Lesers stellt. Es geht um etwas Lebendiges, denn ein literarischer Text verfügt zwar über eine eigene Dynamik, die aber nicht zuletzt von dem jeweiligen Rezipienten abhängt.

4. Was hat dir besonders gefallen, hat dich eventuell sogar überrascht?
Vor allem hat mir die vielseitige Annäherung an die Thematik besonders gefallen. Uns wurde ein umfangreicher Überblick über die Golem-Legende angeboten, über deren merkwürdige Einzelheiten und Variationen sowie über abergläubische Einstellungen, die sich damit verbinden lassen. Zusätzlich wurden wir über die literarische Umsetzung des Motivs in anderen Kunstformen, in Comics, in RPG (RPG = Role Playig Games/Rollenspiele, sowohl Computerspiele als auch Pen and Pal Games - Spiele), im Kino wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelten informiert. Sehr interessant habe ich gefunden, wie das Motiv von Golem im Kino behandelt wurde und die konkreten Hinweise, Bezüge, die darauf gemacht wurden. Der Kurzfilm von Daniel Laufer war für mich ein sehr interessanter, aufschlussreicher Film von besonderem ästhetischem Wert.

Die Lesung „Die Sprachschöpfung“ von der Autorin Barbara Köhler hat mich fasziniert und neuen Raum für weitere Deutungsmöglichkeiten des Begriffes des Golems eröffnet, ein Geflecht von zahlreichen phantasievollen Assoziationen und Gedankenanspornen.

Die Sprache könnte vielleicht auch als ein Golem verstanden bzw. angesehen werden, etwas das geschaffen wurde, aber immer wieder neu erschaffen wird, im dem Sinne, dass sie sich ständig und kontinuierlich ändern und entwickeln kann. Sonst kann sie sowieso nicht lebendig bleiben. Die Sprache könnte eigentlich als ein merkwürdiger Golem fungieren, gelten. Die Sprache wäre dann merkwürdig..., denn der Golem kann nach der Legende nicht sprechen...

5. Wovon hättest du mehr gewünscht?
Der Workshop hat mir so gut gefallen und deshalb wäre mein Wunsch, dass öfter oder regelmäßig solche tollen Schreibworkshops stattfinden könnten, an denen man auch von weit entfernten Orten durch Internet teilnehmen könnte. Der kreative Teil nach dem informativen Teil war die optimale Endung des Workshops und es wäre so schön, falls noch mehr Zeit zur Verfügung stünde, damit es Feedback, Diskussion, Gedankenaustausch über die Texte, die geschrieben wurden, gäbe.

6. Gibt es etwas, das nachwirkt, dich vielleicht sogar noch eine Weile begleiten wird?
Mich werden interessante Aspekte, Gedanken, die entweder kurz erwähnt oder detaillierter im Workshop erörtert wurden, auch bei meinen literarischen Versuchen begleiten: Beispielsweise inwieweit ein Golem, eine Kreatur des Menschen außer der Kontrolle seines Schöpfers geraten kann, das ist ein ambivalentes und brisantes Thema von besonderer Signifikanz. Oder die Problematik: inwieweit könnte ein Golem sich freier entwickeln, selbständiger werden oder die Möglichkeit zur Bildung von eigener Identität haben? -Gedanken über die komplizierte Beziehung des Schöpfers und seiner Kreatur oder die Frage, inwieweit die Rollen des Schöpfers und seines Wesens ausgetauscht werden könnten. Gedanken darüber, wie umfangreich die Golemthematik ist, wenn man alternative philosophische, psychologische, religiöse Annäherungen macht.

7. Was möchtest du außerdem gerne sagen oder rückmelden?
Ich möchte Max Czollek, Daniel Laufer, Barbara Köhler sowie allen Zuständigen für den Workshop herzlich gratulieren. Toller Workshop! Herzlichen Dank! Auch dir Elisabeth!

4 Sprachschöpfungen: Mein Golem

Golem

du bestehst aus kultureller Aneignung mein
liebster Golem mein Sprachloser mein Hohlkörper
((Bereschit (E)METh)) am Anfang soll ein Ort sein
ein Gott mit dem Namen Götter Wandelwörter
ein Hexenmeister und ungeformte Glieder
Erschaffung des Wesens aus Lehm unerhörter
Schöpfer nimm jungfräuliche Erde sing Lieder
von Zellhaufen Embryonen & beschütze mich
vor Geburtenneid sag die Zauberzahl wieder
aus Buchstaben und aus einer Religion sprich
ohne zu sprechen wir beschwören dich
© Julia Costa
https://www.julia-costa.net/



Mein Genius

Mein Genius hat buntmetallenes Rotatorenhaar
hat orange Emaille + Plastikblütenringe als Augen
hat Wangen aus Monsterablätternholz
hat eine Haut aus mint-rosa Samt
hat einen Mund wie eine überreife aufgeplatzte Nektarine
hat einen Hals wie eine Spruchteetasse
hat Schultern wie Kleiderbügel aus Draht
hat einen Torso wie drei Kugeln in den Primärfarben
hat Arme wie Levkojenzweige
hat Beine wie Christusdorn
hat ein Herz wie flüssige Aquarellfarbe
© Nicole Drude
http://www.nicoledrude.de/



Mein Golem ist...

ein Lampenschirm mit Goldrand
ein schwarzer Elefant
ein ratterndes, stinkendes Ding,
ein blei- und holzfressender Schlund
ein Papierlasten tragender Dreibeiner
ein Gewirr von Kabeln
ein leuchtendes eckiges Riesending,
das einen Bannkreis um mich legt
das fehlende Wort.
© Elisabeth Klempnauer
http://schreiben-bewegt.de/



Bevor du starr und ungebogen wirst.

Der winzige Spiegel
eignet sich als dein Gesicht, mein lieber Golem
Dein Gesicht ist ein Spiegel
denn alles was du nicht sagen kannst,
was du nicht aussprechen darfst,

verrät mir selbst mein gespiegeltes Gesicht
Deine Augen sind meine Augen
die Nase
und der Mund
du atmest wie ich
Wenn ich dich sehe, sehe ich mich
nur dass deine Zunge zum Schweigen verurteilt ist
die Wörter kannst du nur bröckeln und zermahlen
aber deine eigene Stimme kann ich nur an deinen
stimmlosen Lippen lesen.
wenn ich dich treffe.

dein Gesicht,
mein Gesicht
ist der
Auftraggebende.

Kein Knecht bist du deiner eigenen Gedanken
davon habe ich dich befreit
von deinen ätzenden Gedanken,
die wie die Splitter im Holz
deine Haut stechen.

Den Umriss deines Körpers muss ich unbedingt beachten, mein liebes Wesen
Deine Muskeln, deine Knochen sind nicht fest
sondern flüssig,
so wie der Honig in dem Gläschen,
der
langsam fließt
denn du bist neu erschaffen
zu jung
um
fest und starr
zu sein
Deine Muskeln
deine Knochen
wollen außerhalb der Linien deines Leibs rollen.

Deshalb mache ich den Umriss deines Leibs
stachelig,
wie der Kaktus auf dem Balkon
damit du dich und mich retten kannst.

Damit ist zu beginnen somit.
Mit dem Umriss deines Leibs

Mir gehörst du,
das weißt du doch
flüstere ich
lese ich von deinen Lippen ab

Und später, mein eigener Golem,
wenn du älter wirst,
ändere ich was an dir:

deinen Rumpf

Dann wird er
fest
und
unbeweglich
wie ein Baumstamm.
Starr.
Ungebogen.
© Vicky Ntzoufa
vickyntzoufa@gmail.com



Für alle, die es interessiert, hier ein noch paar Links:

Über Max Czollek:
https://www.burg-huelshoff.de/cfl/kuenstler-innen/max-czollek

Bücher von Max Czollek:
Desintegriert euch! 2018
Gegenwartsbewältigung, erscheint im August 2020

Über: Daniel Laufer:
https://www.burg-huelshoff.de/cfl/kuenstler-innen/daniel-laufer

Daniel Laufer: Redux (15 Min.) in Englisch
http://www.daniellaufer.info/redux
‘Redux’ carries a subtle reference to the legend of the Golem

Über Barbara Köhler:
https://www.burg-huelshoff.de/cfl/kuenstler-innen/barbara-koehler

Barbara Köhlers Lesung Die Sprachschöpfung. Droste-Festival 2020, 2. Festival-Tag
https://www.burg-huelshoff.de/programm/droste-festival-2020/tag-2

Die Golem-Ausstellung, Jüdisches Museum Berlin 2016
https://www.jmberlin.de/ausstellung-golem

Ausgewählte Katalogtexte dieser Ausstellung online:
https://www.jmberlin.de/online-katalog-golem

Annette von Droste-Hülshoff: Die Golems (1844)
(ein poetologisches und zeitkritisches Gedicht)
https://www.droste-portal.lwl.org/de/werk/lyrik/gedichte-1844-1848/die-golems/

Paul Wegener: Film: Der Golem und wie er in die Welt kam. 1920
https://www.youtube.com/watch?v=NjzC-mIAjRc

Golem Wiedergeburt (Tiberius Film), 2018
https://www.youtube.com/watch?v=1bORXfslsdo

Die Golem-Erzählung Entstehung der Verlagspoesie von Jakob Grimm in der Zeitung für Einsiedler, Teil 1, 1808:

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