Fokusse

Fokus Weiße Flecken

juliapraschma_burghuelshoff_illu_09_blindeflecken_cmyk
© Julia Praschma

Burg Hülshoff – Center for Literature arbeitet dezidiert daran, das Sprechen über Literatur zu demokratisieren. Um dies mit literarischen Mitteln zu unterstützen, ruft das Center im Fokus Weiße Flecken/White Spots eine Reihe von Projekten ins Leben, die sich mit den weißen Stellen unserer Gesellschaft beschäftigen. Andersrum gesagt: Es gibt Stimmen, die für eine nicht nur weiße, nicht nur heterosexuelle, nicht nur männliche, nicht nur mittelständische, nicht nur christliche Literatur stehen.

Fangen wir bei uns selber an: Das Droste-Museum auf Hülshoff stellt exemplarisch den westfälischen Biedermeier aus. Rufen wir doch ein paar Kompliz*innen dazu, um zu testen, was uns der Biedermeier zu sagen hat – und wo sich dort Blickwinkel verstecken, die bisher keine oder keine große Rolle spielten. In experimentellen Führungen, Lectures und anderen Formaten wird das Center for Literature einzelne Objekte aus der Ausstellung neu herausstellen.

Was für ein globaleres Verständnis können wir so entwickeln? Denn das kulturelle Erbe, auf das wir uns berufen, kann immer nur unvollständig sein. Was kann uns zum Beispiel die Geschichte eines Mannes, der im 17. Jahrhundert in Ghana verschleppt, als Sklave nach Europa verkauft wurde und schließlich auf Burg Hülshoff als Leibeigener arbeitete, über Kolonialismus erzählen? Und wer erzählt uns so eine Geschichte heute? Was verändert sich, wenn People of Color sie erzählen? Welche Perspektiven schwirren dabei durch den Raum, und wie kann er genau dadurch ein gemeinsamer Raum werden?

Damit positioniert sich das CfL auch gegen Übermacht von Markstatistiken. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Druck der Zahlen die Verlagslandschaft ausgehöhlt. Mehr und mehr ist es der Markt, der den Verlagen diktiert, welche Texte gedruckt werden sollen und welche nicht.

Jenseits von Buchpremieren, Buchpreisen, Buchmessen tastet das Center for Literature weiße Flecken des Betriebs und auch der in ihm entstandenen Literatur ab, von Marktgläubigkeit über Kolonialismus, Rassismus und Klassismus bis hin zu Hass auf Homosexuelle, Transgender und Menschen mit Behinderung.

Hier ist noch eine Menge aufzuholen. Packen wir es an. Mit allem, was wir zur Verfügung haben: Raum, Licht, Ton, Bild, Tastsinn, Geruch, Geschmack, Erinnerung, Glaube, Hoffnung, Liebe, Worte.

Denn »Worte können lösen – gut geölte Türen, die sich öffnen und schließen zwischen Absicht und Geste. Der Puls im Hals, die Wendigkeit der Hände, ein unwillkürliches Blinzeln, die Gespräche, die deine Augen führen, übersetzen alles und nichts.« (Claudia Rankine)