Free Care

#18: Reformthesen von Maria 2.0

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© Lisa Kötter

»Angefangen hat alles mit einem Lesekreis«: Die freie Initiative von Frauen tritt dafür ein, männerbündische Machtstrukturen in der katholischen Kirche abzuschaffen.

Maria 2.0 fordert eine Erneuerung der Kirche – und in ihrem Beitrag für Free Care legen sie in thesenartiger Form ihre Beweggründe dar. Ihr Glaube wurzelt in der Überzeugung einer göttlichen (Für-)Sorge für alle, unabhängig von Geschlecht. Das Manifest für die Kraft des Glaubens und der Gleichberechtigung ist außerdem ein Vorgeschmack auf das diesjährige Droste Festival. Dort sprechen wir mit der Münsteraner Reforminitiative weiter über Fragen nach Gleichstellung und Glaube.


Ruth Koch

Jesus und die Frauen

Jesus ist ein in jeder Beziehung ungewöhnlicher Mann. In einer Zeit und in einer Gesellschaft, in der Frauen wenig wert sind und gering geachtet werden, begegnet er ihnen auf Augenhöhe, hört ihnen zu, lässt sich von ihnen berühren, und hochachtet sie so. Und das erweckt Argwohn und Aufsehen, klar. »Wie redet er da mit den Frauen«, sagt man sich. Aber er ist nur konsequent. Er will den Menschen Frieden bringen, er erzählt von Gott, als seinem, als unserem Vater, der alle Menschen als seine Kinder gleichermaßen liebt, bedingungslos und ohne Unterschied. Was für eine Revolution! Ein liebevoller Gott, der Beziehung will, mit Liebe und Vertrauen, ohne Angst und ohne Opfer... verheißungsvoll für die Machtlosen, bedrohlich für die Mächtigen!

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© Lisa Kötter

Aber genau so behandelt Jesus dann auch alle, ob Kinder, ob Frauen, ob Männer, als Menschen, mit gleicher Würde. –

In jener Zeit sind Frauen kaum von Bedeutung, und so ist es bedeutsam, dass Maria von Magdala namentlich genannt wird, als eine seiner Begleiterinnen, die, im Gegensatz zu den meisten Jüngern, nicht von ihm weicht, auch nicht im Sterben und im Tod. Sie liebt Jesus, und Jesus liebt sie.

Und sie ist es, der Jesus als erstes begegnet, als sie es nicht aushält, zum Grab gehen will, nach dem Sabbat, - um ihn noch einmal zu sehen? Und sie ist es, eine Frau, die zur ersten Glaubenszeugin bestimmt ist, die die unfassbare Botschaft weitergeben soll.

In den ersten christlichen Gemeinden haben die Menschen nach dem Grundsatz der Gleichheit gelebt. Frauen und Männer haben gleichermaßen Gemeinden geleitet, Dienste versehen und das Brot geteilt.

Und heute? Auf der ganzen Welt werden Menschen benachteiligt, gequält, vernachlässigt, aus vielen Gründen, aber auch: weil sie Frauen sind. Die Welt ist immer noch eine Macht- und eine Männerwelt, und ganz besonders die der römisch- katholischen Kirche. Dabei halten die Frauen die Kirche am Leben, sind Glaubenszeuginnen heute, durch vielfältige Dienste und Beziehungsarbeit. Und in vielen abgelegenen Gegenden leiten Frauen Gemeinden, und gemeinsam mit Männern tun sie das, was Jesus uns gesagt hat: Sein Wort hören, und beim gemeinsamen Mahl an ihn erinnern.

»Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich unter ihnen.«

Wie segensreich wäre es, die Begabungen von Frauen und Männern nicht mehr als Konkurrenz zu fürchten, sondern als Ergänzung zu schätzen. Das bedeutet in vielen Fällen: Macht abgeben, aber eins ist für mich sonnenklar: Jesus hat niemals davon gesprochen, dass ein Mensch über einen anderen Macht ausüben soll, ganz im Gegenteil!

In ihrem wunderbaren Buch »Mirjam« zeichnet Luise Rinser die Beziehung, die Liebe zwischen Jesus und Maria von Magdala nach. In einem Gespräch mit dem Volk legt sie Jesus diese Worte in den Mund:

»Richtet eure Herzen auf das Eine Notwendige: das Reich des Friedens und der Liebe! Alles übrige, Freunde, wird euch dazugegeben werden. Wenn ihr mir nur glauben würdet! Mitten im verheißenen Land lebt ihr, und ihr seht es nicht. Öffnet eure Augen, schön ist die Erde, und eines nur ist nötig, um aus dieser Erde das Paradies zu machen: Liebe! Liebt einander, Freunde, gebt euch den Friedenskuss, versöhnt euch untereinander, so wird der Ewige euch seine Liebe offenbaren. Glücklich könntet ihr sein, Freunde, wenn ihr nur wolltet!«

In diesen Tagen scheint ein Hauch der Hilfsbereitschaft und der Achtsamkeit, der Solidarität und der Liebe durch die Gesellschaft zu gehen, alles nur eine Folge der Corona-Krise?

»Öffnet eure Augen, Schön ist die Erde, und eines nur ist nötig, um aus der Erde das Paradies zu machen: Liebe!«

Warten wir auf die da oben? Wir Frauen und Männer und Kinder zusammen, wir können mitknüpfen am Netz der Liebe und der Barmherzigkeit, in gleicher Würde, auf Augenhöhe, gleich geliebt von Gott.