Thomas Meinecke über obsessive Belesenheit und eine Poetik des Non-Binären.
Was hat das Platten auflegen mit dem Bücher schreiben zu tun? Welche Bündnisse lassen sich zwischen Frauen, afroamerikanischen und queeren, also marginalisierten Leseweisen entdecken? Was haben Minimal Techno und Genderstudies miteinander am Hut?
Mascha Jacobs und Thomas Meinecke sprechen bei DEAR READER über diese Fragen. Aber auch über ihre gemeinsame Liebe zur Popmusik, zum Auflegen und über sein aktuelles Buch Ozeanisch Schreiben. Drei Ensembles zu einer Poetik des Nicht-Binären letztes Jahr im Verbrecher Verlag erschienen.
Der 1955 in Hamburg geborene Musiker und DJ wurde Ende der 1990er-Jahre auch als Schriftsteller bekannt. Neben seiner Band FSK, die er seit 40 Jahren mit seiner Ehefrau Michaela Melián und anderen Freunden hat, wurde er mit seinem Buch Tomboy berühmt. In dem 2000 bei Suhrkamp erschienenen Buch hat er seine frühe Judith Butler Lektüre verschriftlicht. Kein Wunder, dass einer seiner Lieblingstexte Gender Trouble von der Philosophin Judith Butler ist. Es ist 1991 auf deutsch unter dem Titel Das Unbehagen der Geschlechter bei Suhrkamp erschienen. Und Mascha Jacobs hat ein paar Jahre später ihre Magisterarbeit über das gleiche Buch geschrieben. Das zweite von Thomas Meinecke mitgebrachte Buch ist Ein Forschungsbericht von Hubert Fichte (Fischer 1989), ein Band von Fichtes Geschichte der Empfindlichkeit. Die Interessen und Themen seiner Texte sind sehr breit gestreut: von der Mystik, zu Mae West, über Camp zu Anaïs Nin zu Drag Queens und Lookalikes. Genug Gesprächsstoff also für die beiden Ex-Kolleg*innen beim Zündfunk des Bayerischen Rundfunks.
Sie sprechen über experimentelles Schreiben, öffentliches Sprechen, Wiederholungen, den magischen Charakter der Sprache, Bündnisse, nicht-männliches Schreiben, fanatisches Lesen, unsere Popsozialisationen, Hingabe, die Lust und Qualen des Nichtverstehens, Theorie-Training mit Jean-Luc Nancy und seine Schule der Zärtlichkeit, Mediävistik. Über nicht geschlossene, nicht-männliche postmoderne Autorensubjekte und Schreibweisen in der Vormoderne, Dominoeffekt und Kettenreaktionen, campe und marginalisierte Leseweisen. Das Lesen zwischen den Zeilen, Pastiche, Parodie, Mitschriften, Palimpseste, Pop, Begehren, Vogueing, Realness, Fag Stags, Nicht-Authentisches, unakademische, hochelaborierte Szenarien und Exotismus. Es geht in einem wilden Ritt um Überschreibungen, ethnopoetologische Mitschriften, das Abtasten der Wirklichkeit und des Nicht-Authentischen und Drag Queens „als ambulante Archive von Fraulichkeit“.
Bei DEAR READER unterhält sich Mascha Jacobs einmal im Monat mit Autor*innen über die Bücher ihres Lebens. Über die Wege, auf denen sie zu ihnen finden, wie das Gelesene sie verändert und wie oder ob für sie Lesen und Schreiben zusammengehören.
DEAR READER von Mascha Jacobs koproduziert von Burg Hülshoff - Center for Literature (CfL) gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Schnitt: Mia Ender
Postproduktion: Nicki Frenking
Covergestaltung: Sarah von der Heide
Jingle: Walter P99 Arkestra