Barbi Marković über Allegorien und Abenteuer
Dieses Mal ist Barbi Marković bei DEAR READER zu Gast. Sie ist eine der Lieblingsschriftsteller*innen von Mascha Jacobs. Ihre Texte sind verspielt und experimentell, aber nicht hermetisch. Im Gegenteil, sie lesen sich leicht und sind komisch, auch wenn es um tragische Themen geht. Sie überschreibt Texte und spielt mit Genrekonventionen, greift Material und Stoffe auf, die in der Literatur immer noch als low gelten. Wenn jemand heute noch tolle Popliteratur schreibt, dann sie.
Mit ihrem aktuellen Erzählband Minihorror im Residenzverlag erschienen, in dem Barbi Marković Alltagsszenen mit Genreversatzstücken aus der Comic- und Horrorliteratur mischt, ist ihr eine so hinreißend gruselige Sammlung zeitgenössischer kleiner Geschichten gelungen, dass sie in diesem Jahr zu Recht mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik ausgezeichnet wurde. Harmlose Alltagsszenen kippen ins Surreale und Unheimliche. Doppelgänger, Untote, Ungeziefer und Menschenfresser tauchen auf, manchmal reicht schon die Bestellung einer Arbeitsplatte bei Ikea oder die Beschreibung des Arbeitsplatzes einer Freiberuflerin, um uns das Grauen, in dem wir leben, aufs Schönste vor Augen zu führen. Abgerundet werden die Miniaturen am Ende des Buches mit einer Kurzgeschichte von Mercedes Kornberger, einem Mini-Rollenspiel von Thomas Brandstetter und 105 weiteren möglichen Schrecken mit Mini und Miki. Bonustracks, Kooperationen, wer macht das schon?
Barbi Marković und Mascha Jacobs kichern viel in dieser Episode und unterhalten sich über Lesungen, Backstage-Bereiche und neurotische Musiker. Sie sprechen auch darüber, wie Barbi Marković seit dem Preis der Leipziger Buchmesse zur »Sklavin ihrer Schreibaufträge« wurde, über schlechten Geschmack, Allegorien und was sie unter Notfall-Poetik versteht. Sie erklärt, was sie mit Fante-Amplituden meint und warum sie sich für Horror und Comics interessiert. Und Mascha Jacobs versucht herauszufinden, warum sie Abenteuergeschichten nicht mag.
Die Autorin hat nämlich eine Abenteuergeschichte mitgebracht, ihr Lieblingskinderbuch Michael, der Bruder von Jerry von Jack London. Es ist 1917 erschienen. Sie haben es in einer Übersetzung von Erwin Magnus im Deutschen Taschenbuch Verlag von 1974 gelesen. Der zweite Text ist der geleakte Rider von Alen Islamović, einem der Sänger der Band Bijelo Dugme, den Rebekka Zeinzinger übersetzt hat.
Bei DEAR READER unterhält sich Mascha Jacobs einmal im Monat mit Autor*innen über die Bücher ihres Lebens. Über die Wege, auf denen sie zu ihnen finden, wie das Gelesene sie verändert und wie oder ob für sie Lesen und Schreiben zusammengehören.
DEAR READER von Mascha Jacobs koproduziert von Burg Hülshoff - Center for Literature (CfL) gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Schnitt: Mia Ender
Postproduktion: Nicki Frenking
Covergestaltung: Sarah von der Heide